Verhandlung am Oberlandesgericht Dresden

Urteil in Sachen „Tönsberg“ Leipzig wird am 31.3.2009 verkündet | Ankündigung der Eröffnung einer neuen Thor-Steinar-Filiale in Leipzig erfordert sorgfältigen Blick von Gewerberaumvermietern | Ladenschluss-Bündnis-Kundgebung vor dem OLG in Dresden

Interview Radio Corax, 17.3.2009 >>>

Das Oberlandesgericht Dresden verhandelte am heutigen Dienstag, 17.3.2009, die Räumungsklage gegen die Thor-Steinar-Vetriebsfirma
Mediatex. Im Zentrum stand die Leipziger Filiale „Tönsberg“. Das Landgericht Leipzig hatte im November letzten Jahres bestätigt, das
Mediatex in persona des Geschäftführers Uwe Meusel die vermietende Immovaria Beteiligungen AG beim Abschluss des Mietvertrages arglistig über das Warensortiment getäuscht und das Ladengeschäft darum zu räumen habe.
Breite Proteste gegen die bei Nazis beliebte Modemarke hatten erheblich dazu beigetragen, dass Immovaria vor Gericht gezogen war.

Die Berufungsverhandlung in Dresden endete heute mit der Festsetzung eines Termins zur Urteilsverkündung. Diese steht am 31.3.2009 13 Uhr am OLG Dresden an.

Der zuständige Richter des 5. Senates rang im Laufe der Verhandlung lange um eine gütliche Einigung. Der entsprechende Vorschlag lautete:
Beendigung des Mietverhältnisses ohne dass die jeweilige Seite finanzielle Forderungen geltend macht. Während der Vertreter der
Immovaria Beteiligungen AG schweren Herzens auf diesen Vorschlag einging, lehnte der Rechtsanwalt von Uwe Meusel, der wegen Krankheit
nicht selbst vor Gericht erschien, ab und beharrte auf dem 31.12.2009 als frühesten Räumungstermin.

Es bliebt zu hoffen, dass das Oberlandesgericht Dresden am 31.3. ein kluges Urteil fällt. Die Unnachgiebigkeit von Uwe Meusel in Bezug auf
eine gütliche Einigung sollte dabei einbezogen werden. Die Ablehnung des vom Gericht vorgeschlagenen Termins zur Beendigung des
Mietverhältnisses begründete sein Rechtsanwalt im Übrigen mit der kurzen Zeitspanne, die dann zur Suche neuer Räume zur Verfügung stehen würde.

Thor Steinar hat dabei keineswegs vor Leipzig zu verlassen. Die Vermieter von Gewerberäumen sollten an Einmietungen Interessierte sorgfältig prüfen, um Ärger und Rechtsstreits zu vermeiden. Nicht zuletzt bleibt Thor Steinar eine Marke, die mit rechten und gewaltverherrlichen Symboliken kokettiert. Die Eröffnung einer neuen Filiale der bei Nazis beliebten Modemarke würde ganz sicher mit antifaschistischen Protesten beantwortet werden.

Gegen die Ende Februar in Berlin eröffnete Filiale „Tromsoe“ haben sich bereits breite zivilgesellschaftliche Bündnisse gebildet. Der
Mietvertrag wurde mittlerweile fristlos gekündigt. Nicht zuletzt prüft Norwegen wiederum gerichtlich gegen Thor Steinar vorzugehen. Hintergrund diesmal: der Missbrauch von Namen norwegischer Städte als Namen der Thor-Steinar-Filialen.

Der Verhandlungstag wurde von den Ladenschluss-Bündnissen Dresden und Leipzig mit Aktionen begleitet. In beiden Stätden wurde in den jeweilgen Innenstädten Informationen zur Marke Thor Steinar verteilt. Ab 14:00 fanden sich ca. 50 menschen zur Kundgebung „Untragbar – Naziläden dichtmachen!“ ein.


Artikel in Neuen Deutschland, 19.3.2009, von Hendrik Lasch


»Thor Steinar« droht Auszug

Der »Thor Steinar«-Laden in Leipzig dürfte bald geschlossen werden. Das Oberlandesgericht Dresden deutete an, die Räumung auch in zweiter Instanz zu bestätigen. Der Betreiber sucht bereits neue Geschäftsräume.

Der Vorsitzende Richter redete wie mit Engelszungen. »Sie haben keinen Grund zum Optimismus«, sagte Karl-Friedrich Scheffler. Doch der Anwalt von Uwe Meusel, dessen Firma Mediatex die Modemarke »Thor Steinar« herstellt und in Läden wie dem »Tonsberg« im Leipziger Zentrum vertreibt, lenkte nicht ein. Der vom Gericht im Streit um das Geschäft angeregte Vergleich, wonach der Mietvertrag Ende Juni ohne Ausgleichszahlung beendet wird, kam nicht zustande.

Dem »Tonsberg« droht nun ein noch früheres Ende. Denn Scheffler ließ wenig Zweifel daran, dass der 5. Zivilsenat des Oberlandgerichts am 31. März ein Urteil des Leipziger Landgerichts bestätigen wird, wonach der Vermieter den Laden räumen lassen darf. Anders als das Landgericht sieht es zwar keine »arglistige«, mithin vorsätzliche Täuschung in dem Umstand, dass Meusel den Vermieter nicht über den geplanten Verkauf von »Thor Steinar«-Kleidung informierte; eine »Aufklärungspflicht« habe aber bestanden. Die Marke gilt als Symbol der rechten Szene; Läden, die sie verkaufen, wurden wiederholt angegriffen. Auch diese Attacken, im Fall des »Tonsberg« Steinwürfe auf die Scheiben und Brandanschläge, könnten die Kündigung rechtfertigen, sagte Scheffler, der indes einräumte, die Argumentation sei nicht unproblematisch: »Toleriert das Gericht damit nicht indirekt, dass Dritte Sachbeschädigungen begehen?!«

Nach dem Urteil dürfte der Vermieter Imovaria die wegen des anhaltenden Rechtsstreits ausgesetzte Räumung umgehend vollstrecken und damit ein Mietverhältnis beenden, das ohnehin nur noch bis September 2010 läuft. Meusels Anwalt bestätigte im Gerichtssaal, dass die Firma bereits nach neuen Ladenräumen sucht, damit aber offenbar nach jüngsten Gerichtsurteilen Probleme hat. Im Fall des »Narvik«-Ladens im Magdeburger Hundertwasserhaus hatten Richter eine Räumung wegen arglistiger Täuschung für rechtens befunden. Meusel ficht das Urteil derzeit vor dem Bundesgerichtshof an.

Das Bündnis »Ladenschluss«, das seit der Eröffnung im Herbst 2007 gegen das »Tonsberg« in Leipzig mobilisierte, mahnt nun Vermieter von Gewerberäumen zu sorgfältiger Prüfung potenzieller Mieter, »um Ärger und Rechtsstreit zu vermeiden«. Thor Steinar bleibe eine Marke, die »mit rechten und gewaltverherrlichenden Symboliken kokettiert«. Eine Neueröffnung werde »sicher mit antifaschistischen Protesten beantwortet«.

Die gibt es auch bei anderen der derzeit acht »Thor Steinar«-Läden. So wurde dem erst Ende Februar in Berlin eröffneten »Tromsö« der Mietvertrag gekündigt, nachdem es zu Protesten kam. Freilich: Um eine in Magdeburg kurz nach der Räumung des »Narvik« neu eröffnete Filiale blieb es bislang ruhig.

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