Am 5. August wird am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gegen das neonazistische Zentrum „Collegium Humanum“ (CH) sowie weitere ihm angeschlossenen Vereine verhandelt. Der Aktionskreis gegen Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus ruft aus diesem Anlass zu einer antifaschistischen Kundgebung 10 bis 15 Uhr vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig auf
Aufruf:
Vertreten wird das für Holocaustleugnung, Neonazismus und andere menschenverachtende Ideologien bekannte Vereinsgeflecht um das „Collegium Humanum“ durch Frau Ursula Haverbeck-Wetzel. Haverbeck-Wetzel gehört zu den Schlüsselfiguren der GeschichtsrevisionistInnen-Szene, auch über Deutschland hinaus.
Im Mai 2008 wurde das „Collegium Humanum“, einschließlich seiner Teilorganisationen „Bauernhilfe e. V.“ und „Verein zur Rehabilitierung der wegen des Bestreitens des Holocaust Verfolgten“, von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble verboten.
Bereits im Juni 2008 legte Haverbeck-Wetzel als Vorsitzende des „Collegium Human e.V.“ sowie des „Bauernhilfe e.V.“ Widerspruch gegen die Verbote ein. Diese werden nun am 5.8.2009 in Leipzig verhandelt. Alt- und Neonazis werden dieses Datum als Bühne nutzen und sich lautstark mit der über 80-jährigen Holocaustleugnerin solidarisieren. Erst im Juni musste Wetzel wegen Beleidigung der Vorsitzenden des Zentralrates der Juden in Deutschland, Frau Knobloch, vor Gericht. Ca. 30 Nazis fanden sich aus diesem Anlass vor dem Gebäude zusammen und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift „Meinungsfreiheit auch für Deutsche“. Auch im Publikum des Gerichtssaals befanden sich zahlreiche SympathisantInnen, welche mit Zwischenrufen und Applaus ihre Unterstützung für Holocaustleugnung und Nationalsozialismus kundtaten. Sowohl Wetzel, als auch der in Nazikreisen bestens bekannte Anwalt Wolfram Nahrath, hielten abschließenden Plädoyers, die vor Antisemitismus und Verschwörungstheorien nur so strotzten.
Der Prozess ist nicht nur wegen des geschichtsträchtigen Ortes, des Bundesverwaltungsgerichtes, für die lokale und überregionale Naziszene von Relevanz, sondern auch weil 2007 im nahegelegenen Borna die „Gedächtnisstätte“ eingeweiht wurde. In dessen Trägerverein, der bereits vor 15 Jahren in Vlotho gegründet wurde, war Haverbeck-Wetzel einige Jahre Vorsitzende. Der proklamierte Anspruch der Gedächtnisstätte in Borna, „endlich eine würdige Gedächtnisstätte für die Millionen deutschen Opfer von Vertreibung, Bombenkrieg und Gefangenschaft“ zu sein, verdeutlichen die starke Verknüpfungen zum Collegium Humanum. Mittlerweile hat sich das Anwesen in Borna zum Anziehungspunkt von Nazis aller Couleur entwickelt. Bei der Geburtstagsfeier des Altnazis Hajo Herrmann im August 2008 waren neben Ursula Haverbeck-Wetzel und NPD-Chef Udo Voigt nahezu alle Kader der Leipziger Jungen Nationaldemokraten (JN) aka „Freie Kräfte“ anwesend. Der ehemalige Wehrmachtsoffizier Hajo Herrmann verteidigte als Rechtsanwalt u.a. den Holocaustleugner David Irving.
Am 5.8.2009 wird das Bundesinnenministerium versuchen, seine Verbote gegen Vereinsgeflecht um das „Collegium Humanum“ gerichtlich durchzusetzen. Sicherlich ist es begrüßenswert, dass einer zentralen Institution der pseudowissenschaftlichen Holocaustleugnung Strukturen, Finanzen und Netzwerke abhanden kommen. Trotzdem wollen wir uns mit dem rechtsstaatlichen Vorgehen gegen Nazis kritisch auseinandersetzen. Es geht uns explizit nicht um den Schutz des bürgerlichen Staates vor seinen sogenannten „Extremen“. Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus und Schlussstrichdebatten sind in der Bundesrepublik allgegenwärtig. Das belegen nicht nur sozialwissenschaftliche Studien, wie beispielsweise „Deutsche Zustände“ vom Bielefelder Forscher Heitmeyer oder „Vom Rand zur Mitte“ von den Leipziger Wissenschaftlern Decker und Brähler. Auch der offizielle Umgang mit der Bombardierung Dresden durch die Alliierten im Februar 1945 oder die heute nahezu popkulturelle Verklärung vom Militaristen und Nazi Carl-Friedrich von Stauffenberg zum Widerstandskämpfer gegen das „Hitler-Regime“offenbaren den unreflektierten Umgang mit der Vergangenheit.
Antisemitismus drückt sich in der Gegenwart insbesondere durch die Ablehnung Israels und dessen Politik aus. So hält beispielsweise die Mehrheit der Deutschen Israel für den gefährlichsten Staat weltweit. In fortwährenden Konflikten mit den PalästinenserInnen schreibt man Israel einseitig die Schuld zu. Man muss sich allerdings vor Augen führen, dass Israel, der Staat der Holocaustüberlebenden, bis heute in seinem Existenzrecht bedroht ist.
Wir rufen am 5.8.2009 zu einer antifaschistischen Kundgebung unter dem Motto „AntisemitInnen jeglicher Couleur entgegentreten! Haverbeck-Wetzel & Co die Show versauen!“ auf.
Wir halten nichts von systematischen HolocaustleugnerInnen und von Neonazis, die Menschen mit antisemitischer und rassistischer Gewalt bedrohen. Wir halten nichts von einer Politik, die statt einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit in der Gesellschaft weit verbreiteten, menschenverachtenden Ideologien, lieber auf Verbote setzt. Und wir halten nichts von der Umdeutung deutscher Täter zu Opfern – ein momentaner „common sense“ in Deutschland. Unsere Ablehnung wollen wir auf dem Platz vor dem Bundesverwaltungsgericht zeigen. Laut und deutlich.
Antisemitismus und Neonazismus als gesamtgesellschaftliches Problem ernst nehmen und bekämpfen!
GeschichtsrevisionistInnen aller Couleur entgegentreten!
Antifa statt Verbote!