Dieser Tage wird wieder einmal debattiert, ob der 8. Mai als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus ein gesetzlicher Feiertag werden soll. Die Initiative geht auf den, aktuell auch durch die Aberkennung der Gemeinnützigkeit akut bedrohten, VVN-BdA zurück. Die wohl prominenteste Fürsprecherin ist die Auschwitzüberlebende Esther Bejerano. Die Stadt Leipzig, und damit auch die Leipziger Konzentrations- und Zwangsarbeitslager, wurden bereits am 18. April 1945 durch die US-Army befreit. Kurz vorher ermordeten jedoch SS- und Volkssturmtruppen die im KZ-Außenlager Leipzig-Thekla verbliebenen Häftlinge, die den Strapazen eines sogenannten „Todesmarsches“ körperlich nicht mehr gewachsen waren. Sie wurden in eine Baracke eingesperrt und diese in Brand geschossen. Truppen der US-Army fanden, als sie das Lager Stunden später betraten, die teils noch um ihr Leben kämpfenden Häftlinge. Die wenigsten überlebten.
Heute erinnert ein aus DDR-Zeiten stammender Gedenkstein am ehemaligen Ort des Geschehens an das „Massaker von Abtnaundorf“. Der gemäß dem in der DDR dominanten Narrativ eines „antifaschistischen Kampfes gegen den Faschismus“ gestaltete Gedenkstein machte aus den grundlos Inhaftierten heldenhafte Widerstandkämpfer*innen und integrierte sie so in ein nationales, deutsches Gedenken. Mittlerweile finden sich am selben Ort auch eine Gedenktafel mit Hintergrundinformationen (seit 2017) und eine Installation, die die Namen der bekannten Opfer des KZ Leipzig-Thekla und des Massakers nennt.
Anders ist die Lage in der heutigen Kamenzer Straße: Auf dem Gelände der Kamenzer Straße 10/12 befand sich bis 1945 ein Teil des KZ-Außenlagers „HASAG-Leipzig“, des größten Frauenaußenlagers des KZ Buchenwald. An das Lager und die über 5000 dort inhaftierten Frauen und Mädchen erinnert jedoch nur eine kleine Gedenktafel, die vom VVN-BdA Leipzig aufgestellt wurde. Sie wurde in den vergangenen Jahren immer wieder zerstört. Bei einer Gedenkveranstaltung 2009 teilte die Polizei den Veranstalter*innen mit, dass es besser wäre, die Gedenktafel und die niedergelegten Blumen wieder mitzunehmen, da der Eigentümer des Geländes ein Problem mit der Aktion hätte. Der Eigentümer selbst war vor Ort und versuchte, mit einem T-Shirt, das mit neonazistischer Symbolik bedruckt war, zur Gedenkveranstaltung zu gelangen, was die Polizei allerdings verhinderte.
Heute wird dieser Gebäudekomplex, der sich seit 2007 im Besitz eines Neonazis befindet, weiterhin von organisierten, militanten Neonazis genutzt, die dort mutmaßlich für den Straßenkampf trainieren. Seit 2008 fanden in der Kamenzer Straße auch immer wieder Rechtsrockkonzerte statt. Dieser Verhöhnung der Opfer wird seit nunmehr 13 Jahren von offizieller Seite stillschweigend zugesehen. Zwar führt das Land Sachsen den Gebäudekomplex als „rechtsextremistisch genutzte Immobilie“, doch scheint es so als würde die Landesregierung diesen Zusammenhang wahlweise nicht sehen wollen oder ihn geflissentlich ignorieren. Auch der Verfassungsschutz Sachsen wird seinem Ruf, auf dem rechten Auge blind zu sein, in diesem Zusammenhang wieder einmal mehr als gerecht. In den letzten Jahren tauchten die dortigen Umtriebe nur ein einziges Mal im Verfassungsschutzbericht auf: Und dies nur im Zusammenhang mit einer Kundgebung gegen die neonazistische Nutzung dieses Gebäudekomplexes, die der VS als „linksextremistisch beeinflusst“ betrachtet.
Wir forden ein würdiges Gedenken in der Kamenzer Straße. Dies ist nur möglich, wenn die derzeitige Nutzung auf dem Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers beendet wird.