Im Club Lagerhof nahe des Leipziger Bahnhofes wird im September 2009 wiederum einer politisch zweifelhaften Band eine Bühne gegeben. Präsentiert vom Veranstalter/ Label „equinoxe“ wird dort am 25.9.2009 die Band DER BLUTHARSCH aus Österreich auftreten. Die mit politisch rechts codierten Songs und nationalsozialistisch aufgeladener Selbstinszenierung bekannt und groß gewordene Band hat ihr Image inzwischen verändert. Eine kritische Reflektion der eigenen Vergangenheit fand bei DER BLUTHARSCH allerdings nie statt. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass das Projekt bzw. sein Macher aus Angst vor Imageverlust und somit auch aus ökonomischen Gründen eine Wende vollzogen hat.
Hintergründe
Der Frontmann der Band DER BLUTHARSCH Albin Julius weist seit 2007 die von verschiedenen Experten und Journalisten erhobenen Vorwürfe der Rechtslastigkeit zurück. Nichts desto trotz steht der Protagonist des Musikprojektes weiterhin zu seiner Affinität zu Ästhetik des Nationalsozialismus. „Nein ich bereue nichts […] Das Corporate Design ist natürlich für eine Band sehr wichtig, als Musiker „verkaufst“ du ja nicht nur deine Musik, du verkaufst ein Image.“ meint Albin Julius im Interview mit Nonpop, Oktober 2007. Zu diesem Image gehör(t)en militaristische und im Nationalsozialismus verwendete Symboliken, wie die Sig-Rune (in Doppelform das noch heute verbotene Kennzeichen der SS im Dritten Reich) und das Eiserne Kreuz (das weiterhin Symbol des Militarismus ist und im rechten Milieu als Verdienstorden der Wehrmacht verklärt und genutzt wird).Auch Hakenkreuze dienen in Videos der Band als Stilmittel.
Form und Inhalt bedingen sich allerdings immer. 1998 interpretierte DER BLUTHARSCH auf dem Live-Video “Gold gab ich für Eisen” eine Version des im Nationalsozialismus populären Schlagers “Lili Marleen” named “Lisa Pien” to Europäische Freiwillige der Waffen SS an Marsch der Sturmartillerie.” Die wechselvolle Geschichte dieses Soldatenliedes wird von DER BLUTHARSCH geflissentlich ignoriert, indem es gezielt in einen Nazi-Kontext gestellt wird. Tatsächlich wurde der Song auf beiden Seiten der Front des 2. Weltkrieges, sowohl von Nationalsozialisten als auch von Alliierten, gehört und verehrt. Die Interpretin Lale Anderson wurde – nachdem ihre Kontakte zu jüdischen Menschen bekannt wurden – vom NS-Propagandaminister Joseph Goebbels mit einem Auftrittsverbot belegt und der Song zeitweilig verboten.
Doch es sind nicht nur mehr bzw. weniger subtile Andeutungen, die den Macher von DER BLUHATSCH in die rechte Ecke stellen. Statements wie dieses: “Ich bin optimistisch, dass die Währungsunion nicht stattfinden wird…, sich die EU im neuen Jahrtausend wieder auflösen, und unser Kontinent hoffentlich wieder aus Nationalstaaten bestehen wird, und die Migration endlich gestoppt wird.” (Black 11/ Frühjahr 1998/ S. 47), lassen tief blicken:
Mit seinem Label “HAU RUCK!” kooperierte Albin Julius mit Rechtsrockformationen, beispielsweise den italienischen Rechtsrockern “Zeta-zeroalfa“ „Ich veröffentliche ausschließlich Bands, deren Musik mir gefällt und zu denen ich ein persönliches Verhältnis habe.“, weiß Julius als Begründung zu formulieren.
2007 wurde gerichtsfest, dass DER BLUTHARSCH als „Neonazi-Band“ bezeichnet werden darf. Das Landgericht Frankenthal lehnte den Antrag auf eine Einstweilige Verfügung ab, mit der Albin Julius gegen eine entsprechende Bezeichnung in einem Artikel der Wochenzeitung Jungle World vorgehen wollte. Das Gericht führte u.a. als Begründung an, dass sich aufgrund des gesamten Auftretens und Verhaltens der Band Der Blutharsch die Bewertung aufdrängen würde, dass es sich um eine Band aus dem Neonazi-Milieu handle. Dies ergebe sich aus den Live-Auftritten der Band in „durchgängig faschistisch und nationalsozialistisch kodierten Uniformen“ und der Verwendung von Zeichen aus der NS-Zeit auf der Homepage, Merchandising-Artikeln und Plattencovern. Wer sich so präsentiere, müsse sich eine kritische Würdigung seines öffentlichen Wirkens gefallen lassen. (http://jungle-world.com/artikel/2007/34/20200.html)
(Weitere Hintergrundinfos zu DER BLUTHARSCH: http://www.turnitdown.de/208.html).
Rechte Tendenzen im „Dark-Wave“
Immer wieder gibt es Debatten um die neonazistische Verortung von Dark-Wave Bands. DEATH IN JUNE (gilt als „Trendsetter“ neofaschistischer und völkischer Ideologie im „Dark Wave“, bereits der Bandname gilt als Referenz an den SA-Führer Ernst Röhm, der in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1934 ermordet wurde), VON THRONSTAHL (gegründet von dem antisemitischen Verschwörungstheoretiker Josef Maria Klumb), ALLERSEELEN und DER BLUTHARSCH gehören zu den Formationen, die sich eindeutig durch die Ästhetik, aber auch Ideenwelt des Nationalsozialismus inspirieren ließen und auch in ihren Veröffentlichungen kein Hehl daraus machten. „Sie bedienen sich bei völkischen Künstlern, konservativ-revolutionären Literaten, faschistischen Theoretikern und manchmal eben auch bei nationalsozialistischen Funktionären. In ihren ästhetischen Projekten komprimieren sie die antimodernen Motive der extremen Rechten zu einer politischen Synthese, durch die der individuelle Pessimismus und die kollektive Melancholie der »Schwarzen Szene« zum heroischen Realismus und totalen Antimodernismus der braunen Szene wird.“, schreiben die Experten Christian Dornbusch und Andreas Speit 2006 in der Wochenzeitung jungle world.
Leipzig/ Club Lagerhof
Leipzig etabliert sich in den letzten Monaten mehr und mehr zum kulturellen Anziehungspunkt für die extreme Rechte. So finden im „NPD-Zentrum“ in der Odermannstraße regelmäßig Konzertveranstaltungen statt. Die Räumlichkeiten in der Kamenzer Straße 10/12 wurden bereits für Rechtsrockkonzerte genutzt bzw. zu nutzen versucht. Nachdem dies durch städtische Ämter untersagt wurde, bleibt abzuwarten, ob der Besitzer, der mit der „freien“ Neonazi-Szene verquickt ist, wie angekündigt Sanierungsmaßnahmen ergreift, um dort einen offiziellen Anlaufpunkt für Neonazi-„Kultur“ zu schaffen.
Auch der Club Lagerhof nahe des Leipziger Hauptbahnhofes bietet Nazis ein entsprechendes Terrain. Im März diesen Jahres spielte dort die rechte Hooligan-Band KATEGORIE C. Der Betreiber wies damals verschiedenste Kommunikationsversuche zurück, auch die von der Stadt Leipzig sowie diversen zivilgesellschaftlichen Kräften artikulierten Aufforderungen zur Absage des Konzertes blieben ergebnislos. An der Veranstaltung nahm schlussendlich die Leipziger Neonazi-Szene aktiv teil.
Mit dem Auftritt von DER BLUTHARSCH beweist der Club Lagerhof einmal mehr, dass er kein Problem mit rechtslastigen Bands hat und auch Neonazis als zahlende KonzertbesucherInnen herzlich willkommen sind.
Stadtgesellschaft und bisherige Gäste des Club Lagerhof sollten Konsequenzen aus der politischen Affinität des Lagerhofes zu rechtslastigen Künstler/innen ziehen.
Nazis keinen Raum geben!
Ladenschluss-Bündnis im September 2009