Im Oktober ließ die Berliner Immobilienfirma Immovaria, Eigentümerin des auch „Goldene Kugel“ genannten Hauses in der Richard-Wagner-Straße, zum ersten Mal öffentlich verlautbaren, dass sie die eigene Mieterin, die Thor-Steinar-Filiale „Tönsberg“, so schnell wie möglich loswerden wolle. Der Versuch, den Laden mit freundlichen Worten zum vorzeitigen Ende des dreijährigen Mietvertrages zu bewegen, allerdings fruchtete nicht. Es bleibt also der Rechtsweg, der in der Presseberichterstattung vage angedeutet wurde. In Magdeburg steht für Mitte November die Eröffnung der Hauptverhandlung in Sachen Räumungsklage der zum katholischen Bistum Magdeburg gehörenden Vermietergesellschaft gegen die dort eingemietete Thor-Steinar-Filiale „Narvik“ an, die Mieterin hätte in Bezug auf ihr Sortiment willentlich Täuschung bzw. Verschleierung betrieben.
Unterdessen hat sich der Bürgermeister der norwegischen Stadt Narvik an die deutsche Regierung gewandt. Dem Laden wird Verunglimpfung des Namens der Stadt Narvik und damit der direkte Angriff auf die Opfer des Zweiten Weltkrieges vorgeworfen. Das im Norden Norwegens gelegene Stadtchen Narvik hatte für die deutsche Kriegsindustrie große Bedeutung, von dort wurden große Mengen von Eisenerz nach Deutschland verschifft. Bei der Schlacht um Narvik wurde die Stadt vor allem durch deutsche Bomber fast gänzlich zerstört. Zwar fehlen ähnlich klare Bezüge zur ebenfalls in Norwegen gelegenen Hafenstadt Tönsberg, es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die Namenswahl in die Neigung der deutschen Nazis zu ihren „nordisch-germanischen Wurzeln“ einreiht. Die alte, verbotene Symbolik der Marke Thor Steinar bestand aus einer Kombination von zwei Runen – übereinander gelegt dargestellt ähnelten diese bei einer leichten Schrägstellung dem Symbol der „Waffen-SS“. Runen als altnordisch-germanische Zeichen wurden im NS im Sinne einer germanisch, arischen Traditionslinie verwendet und werden auch heute in der Naziszene häufig und durchaus bewusst genutzt.
Nach juristischen Querelen und ca. 275 Strafverfahren, die allein 2005 wegen des Tragens von Thor Steinar eingeleitet wurden, veränderte die Herstellerfirma Mediatex die Symbolik. Das neue Logo besteht aus einer so genannten Gebo-Rune mit zwei Punkten und ist strafrechtlich nicht relevant. Die Verquickung der Firma Mediatex mit, wie auch die Bedeutung der Marke für die rechte Szene allerdings sind geblieben. In der Publikation „Hinter den Kulissen. Argumentationshilfe gegen rechte Parolen“ der Polizeidirektion Leipzig findet sich die Bekleidungsmarke Thor Steinar in der Kategorie „Erkennungszeichen der rechten Szene“ wieder. Ähnliche Einordnungen nimmt der sächsische Verfassungsschutz vor.
Dem „Tönsberg“ in Leipzig ist seit seiner Eröffnung mit zahlreichen Demos und Aktionen heftiger Protest entgegengeschlagen. Anstelle von Schaufensterscheiben zieren Holzverkleidungen die Fassade. Allein die politische Repräsentanz der Stadt Leipzig schweigt zur Sache. Ein Mitte Oktober im linXXnet konstituiertes Bündnis aus Antifa- und zivilgesellschaftlichen Gruppen, Parteijugendvertretern und Einzelpersonen – „Ladenschluss“ Aktionsbündnis gegen Rechts – hat sich inzwischen mit einem Offenen Brief an den Oberbürgermeister Leipzigs gewandt, in dem eine Stellungnahme wie die „Ausschöpfung aller Mittel, die der baldigen Schließung des Ladens dienlich sind“ gefordert werden. Die Stadtratsfraktion der Partei DIE LINKE fragt in einer Anfrage an den OBM ebenfalls wie die Eröffnung eines Ladens bewertet wird, der rechtes Klientel anzieht sowie nach Thor-Steinar-tragenden Ordnern beim FC Lok Leipzig.
Dass Worte im Protest gegen das „Tönsberg“ nicht ausreichen und dass antifaschistisches Engagement sich nicht nur an einem Laden aufhängen kann, liegt auf der Hand. Thor Steinar ist lediglich eine Fußnote in der wachsenden Nazi-Aktivierung. Übergriffe auf Alternative Zentren und Menschen, Spontandemos, geschichtsrevisionistische Veranstaltungen und brutales Auftreten im Fußball-Milieu kennzeichnen auch die Situation in Leipzig. Das Aktionsbündnis gegen Nazis plant verschiedenste Aktivitäten: Kundgebung zum Gedenken an die Opfer der antisemitischen Novemberpogrome 1938 in der Nähe des „Tönsberg“, in Form und Methode vielfältige Aktionen, Infomaterial, Protest-Postkartenaktion sowie diese Internetseite… und MitstreiterInnen sind erwünscht!