Wie wir im Verlauf der Veranstlatung sehen werden war der zentrale Dreh- und Angelpunkt des im Juni letzten Jahres als „Zuflucht Beuden“ bekannt gewordenen Preppernetzwerks die Burschenschaft Germania. Diese hat ihren Sitz hier am Nordplatz. Bereits die Homepage der Burschenschaft lässt wenig Zweifel an ihrer politischen Positionierung: Ernst Jünger, Hauptakteur der sogenannten Konservativen Revolution in der Weimarer Republik, NS-Sympathisant und Vordenker der sogenannten Neuen Rechten wird zitiert. In ethnopluralistischer Manier wird von Europa als „Gemeinschaft der Vaterländer“ schwadroniert und ein starker Nationalstaat gefordert. Mitglied dürfen natürlich nur „Deutsche Studenten“, die sich „zur deutschen Heimat bekennen“ werden. Der Umstand, dass die Germania im Dachverband Deutsche Burschenschaft organisiert ist, die weithin als Sammelbecken rechtsradikaler Burschenschafter gilt, komplettiert das Bild.
Die Germania ist eine schlagende Burschenschaft, ein Männerbund par excellence. Hier wird eine soldatische Männlichkeit kultiviert, die klassischen patriarchalen Bildern entspricht. Bildern von Stärke, Verschlossenheit, Dominanz. Frauen sind hier unerwünscht, außer vielleicht bei zwei oder drei Veranstaltungen im Jahr. Hier wird ein homogener sozialer Raum geschaffen, der stramm hierarchisch organisiert ist. Es ist kaum überraschend, dass, wie wir später sehen werden, auch Verbindungen zur Bundeswehr bestehen.
In geleakten E-Mail-Korrespondenzen verschiedener Mitglieder der Burschenschaft wurde sich mit „Heil Dir“ begrüßt, vom „Judensystem“ gesprochen oder „Kanacken“ als der „Hauptfeind“ betitelt. Doch nicht nur ideologisch, auch personell wurde die nähe zum klassischen Neonazimilieu deutlich: So wurde vor einigen Jahren der aus der Kameradschaftsszene stammende Neonazi Fabian S. mit der Neugestaltung der Homepage beauftragt, ein anderes Mal wurde Christian P., der ehemalige Betreiber des rechten Modeladens Fighting Catwalk auf dem Täubchenweg mit der Absicherung des Gebäudes zum Jahreswechsel 2014/2015 beauftragt. Christian P. entstammt dem Hooliganmilieu um Lok Leipzig, arbeitete für die Black Rainbow Security und war Teil der Fighting Fellas Wurzen, einer rechten Box-Trainingsgruppe. Heute ist er wieder Teil der Betreiber:innengruppe zweier Läden in der Sternwartenstraße, nahe dem Bayrischen Bahnhof, dem Kaetz Club und dem Kobra Keller.
Im Juni 2020 vom Recherchekollektiv Sachsen-Anhalt Rechtsaußen und der taz veröffentlichte Recherchen zeigen nur allzu deutlich die Konsequenzen, die aus rechten Weltbildern folgen.
Eine Gruppe sogenannter Alter Herren der Germania und zwei ihrer Partnerinnen bereiteten sich in einer Chatgruppe auf den sogenannten Tag X, also den Tag des Zusammenbruchs der gesellschaftlichen Ordnung, und einen darauf folgenden Rassekrieg vor, der in ihrem apokalyptischen Weltbild natürlich nur eine Frage der Zeit ist. Unter ihnen: Ein Zahnarztpaar aus Markkleeberg, Gunnar und Astrid G, Jana und Jörg K., zwei Musterbürger:innen aus Beuden bei Krostitz, Michael Volker S. aus Leipzig, ein ehemaliger Mitarbeiter der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt und Danilo R., ebenfalls aus Leipzig. Die Gruppe sammelte Vorräte, Stacheldraht und Waffen, nahm an Schießtrainings Teil und plante, wie sie das Dorf Beuden bei Krostitz übernehmen können. Die BewohnerInnen wären vor die Wahl gestellt worden: in den Chats hieß es „Wer nicht mitmacht, hat zwei Tage Zeit das Dorf zu verlassen“, und wer nicht Folge leistet, müsse mit „Kopfschuss“ rechnen, Migrant:innen wollten sie ebenfalls „an die Wand stellen“.
Michael S. und Gunnar G. waren auch Bundeswehrreservisten und als solche Teil des Kreisverbindungskommandos Burgenlandkreis im Süden Sachsen-Anhalts. In dieser Funktion war Gunnar G. auch Teil des Corona-Krisenstabs des Landkreises, für den er auch den Arzt Christian G. zu einem Vortrag einlud. Christian G. war ebenfalls Mitglied der Germania und wurde von der Preppergruppe auch zu Schießtrainings eingeladen. Im Lichte der regelmäßig wiederkehrenden „Einzelfälle“ von Bundeswehrsoldat:innen mit Verstrickungen in rechte Milieus ist all dies nun natürlich nicht weiter überraschend, unterstreicht jedoch erneut das Ausmaß des Problems.
Doch trotz all dieser Eindeutigkeiten, der Beschaffung von Waffen, der Mordfantasien, der expliziten Bezugnahme auf den Nationalsozialismus blieb der große Aufschrei aus. Mittlerweile sind einige der Verfahren eingestellt, die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Neonazis, die den Umsturz planten und dafür an Waffen trainierten, blieb einmal mehr aus. Sie haben ja niemanden umgebracht. Trotz aller ritualisierten Empörung nach dem Mord an Walter Lübcke, dem antisemitischen, misogynen und rassistischen Anschlag von Halle, dem rassistischen und misogynen Attentat von Hanau, blieb, als vier Monate später das nächste bewaffnete rechte Netzwerk aufgedeckt wurde, der Aufschrei aus. Scheinbar müssen in diesem Land Neonazis erst Menschen ermorden um gesellschaftlich als Problem erkannt zu werden.