Indymedia: Naziüberfall auf Wohnhaus in Leipzig

Indymedia, 24.11.2007

Am Abend des 22. Novembers griffen Nazis mit Signalraketen ein Wohnhaus in der Holsteinstraße an und skandierten Anti-Antifa-Parolen. Das Haus wurde in der Nacht zuvor mit zwei großen Hakenkreuzen beschmiert. Rund 40 Personen, zumeist schwarz gekleidet und vermummt, marschierten an diesem Donnerstag gegen 21 Uhr an der gegenüberliegenden Straßenseite auf. Sie begannen sofort, Signalraketen gegen das Haus zu schießen und brüllten „Rotfront verrecke“, Nationaler Sozialismus jetzt“ und Anti-Antifa-Parolen. Nach wenigen Minuten verschwanden die Vermummten in Kleingruppen in den anliegenden Straßen. Die kurze Zeit später eintreffende Polizei konnte lediglich von einigen wenigen die Personalien aufnehmen. Die Bewohner des Hauses selbst sind überrascht und verängstigt. Nach eigenem Bekunden können sie keinen Anlaß sehen für derartige Drohgebärden der lokalen rechtsextremen Szene. Bereits in der Nacht zuvor waren am selben Haus zwei großen Hakenkreuze angebracht worden, die den Schriftzug „wieder Deutschland“ einrahmten. Es wurde Anzeige gegen Unbekannt gestellt wegen der Verwendung von nationalsozialistischen Zeichen, Sachbeschädigung und Landfriedensbruch.

Schon seit einigen Monaten sind vermehrt propagandistische Aufkleber und subtilere Edding-Schmierereien in Reudnitz und den angrenzenden Stadtteilen aufgetaucht. Während den bundesweit von Nazi-Organisationen ausgerufenen „Hess-Gedenkwochen“ im August diesen Jahres wurden auch hier Grafittis, Aufkleber und Flugblätter mit einschlägigen Inhalten gefunden.

Ebenfalls aktiv sind sogenannte „Autonome Nationalisten“, die unter den „Freien Kräften Leipzig“, einer rechtsextremen, kameradschaftsähnlichen Gruppierung, zu finden sind. Sie verteilten Anfang September Flugblätter in Reudnitz-Thonberg und Anger-Crottendorf. Im Oktober und November gab es ähnliche Aktionen in Einkaufscentern in der Dresdner Straße, in Probstheida und Wachau.

Der Überfall vom 22. November erreichte in dieser Hinsicht allerdings eine andere Qualität im Leipziger Osten. Ein derart massiver Einschüchterungsversuch erinnert zwar die Vorfälle in der GutsMuthsstraße und vor dem Programmkino Cineding in der Zschocherschen Straße anfang des Jahres, als sich dort Anwohner gegen eine Nazi-Wohngemeinschaft zur Wehr setzten.

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BEAT UP – TÖNSBERG DOWN

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KREUZER: »Ein solcher Laden gehört nicht in die Stadt«

KREUZERonline, 19.11.2007

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) bezieht im Interview mit KREUZERonline Stellung gegen den Tonsberg-Laden in der Innenstadt, in dem Kleidung der Marke Thor Steinar verkauft wird. Dessen Existenz sehe die Stadtverwaltung »sehr kritisch«, die Bemühungen des Berliner Vermieters Immovaria um eine Auflösung des Mietvertrages werde von der Stadtverwaltung »ausdrücklich begrüßt« und sogar »begleitet«.

KREUZERonline: Wie positionieren Sie sich als OBM zur Eröffnung des Tonsberg-Ladens in der Innenstadt und zu der Gefahr, dass sich dieser Laden zum Treffpunkt der rechten Szene entwickeln könnte?
BURKHARD JUNG: Ein solcher Laden gehört weder in die Innenstadt noch in das restliche Stadtgebiet von Leipzig. Darüber hinaus habe ich meine persönliche Position zur rechten Szene bereits mehrfach öffentlich dokumentiert. So gehöre ich zu den Unterzeichnern der Initiative »Aus der Geschichte lernen – heute rechtzeitig handeln!«, die sich für ein Verbot der NPD ausspricht. Die Initiative »Courage zeigen« unterstütze ich bereits seit Jahren. Zudem unterstütze ich eine Initiative, die im Rahmen des Stadtfestes 2008 eine Kampagne gegen Rechtsradikalismus führen wird.

KREUZERonline: Was kann die Stadt gegen einen solchen Laden unternehmen?
JUNG: Die Existenz des Tonsberg wird durch die Stadtverwaltung sehr kritisch gesehen. Die Bemühungen der Berliner Immobilienfirma Immovaria hinsichtlich einer Auflösung des Mietverhältnisses für den Laden Tonsberg werden insofern ausdrücklich begrüßt und soweit möglich begleitet. Es ist offensichtlich erklärtes Bestreben der rechtsextremen Szene, Neonazi-Labels im innerstädtischen Bereich anzusiedeln. Dadurch soll ein deutliches Signal gesetzt werden, die Mitte der Gesellschaft erreicht zu haben. Ungeachtet der Tatsache, dass Vertragsgestaltungen zwischen Vermieter und Mieter zivilrechtlicher Art sind, ist es denkbar, dass dem interessierten Vermieter Verfahren bzw. Handlungsstrategien an die Hand gegeben werden, mit denen Vermietungen an rechtsextremistische Gruppen oder Personen ausgeschlossen werden bzw. verdeckte rechtsextremistische Mietinteressenten im Vorfeld erkennbar gemacht werden können. Darüber hinausgehende Maßnahmen durch die Stadtverwaltung, die auf Anbahnung, Abschluss oder Beendigung von vertraglichen Mietverhältnissen außerhalb der Stadtverwaltung abzielen, sind ordnungsrechtlich nicht möglich.

KREUZERonline: Das Aktionsbündnis »Ladenschluss« wirft der Stadtverwaltung und Ihnen vor, es sei »beschämend«, dass es zu diesem Thema noch keine Stellungnahme gegeben hätte. Was ist zu diesem Vorwurf zu sagen?
JUNG: Dieser Vorwurf trifft nicht zu. So habe ich mich bereits mehrfach öffentlich, unter anderem in der Bürgersprechstunde am 2. Oktober und in einem Pressegespräch nach der Dienstberatung Ende September zum Thema im dargestellten Sinn geäußert. Und in der Stadtratssitzung November gab Bürgermeister Heiko Rosenthal eine umfassende Antwort auf eine entsprechende Anfrage.

KREUZERonline: Ist zu diesem Brief eine Antwort geplant?
JUNG: Ja.

KREUZERonline: Wie stehen Sie zu dem Vorschlag des Aktionsbündnisses, sämtliche Einnahmen, die der Stadt durch den Tonsberg-Laden zufließen, für die Unterstützung antifaschistischer Projekte zu verwenden?
JUNG: Einnahmen entstehen gegebenenfalls durch die Gewerbesteuer. Die entsprechende Forderung des Aktionsbündnisses betrachte ich als eine pointierte Zuspitzung. Tatsächlich unterstützt die Verwaltung bereits seit Jahren Projekte gegen Rechtsextremismus und hat eine eigene Fachstelle Extremismus- und Gewaltprävention eingerichtet. Wir beteiligen uns außerdem am Bundesprogramm »Jugend für Vielfalt, Demokratie und Toleranz – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus«.

KREUZERonline: Wie hoch sind die oben genannten Einnahmen?
JUNG: Eine genaue Benennung kann nicht erfolgen, hier gilt das Steuergeheimnis.

Interview: Thyra Veyder-Malberg

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Interview mit coloRadio Dresden

Interview von coloRadio Dresden mit einer Vertreterin des Ladenschluss-Bündnisses (veröffentlicht am 15.11.2007). Das Interview steht im Internet zum freien Download zur Verfügung.

Zum Interview

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LIZ: Kleine Fortschritte in einem diffusen Aktionsfeld: Ordnungsbürgermeister zeigt sich besorgt über Thonsberg-Laden

Leipziger Internet Zeitung, 16.11.2007

Schwerfällig bewegt sich die Maschinerie. Zu lange haben zu viele Leute ein Auge zugedrückt, wenn in Sachsen und auch speziell in Leipzig da und dort auf der rechtsextremistischen Klaviatur gespielt wurde. Man hielt sich nobel zurück. Auch wenn die nun historischen Fußmärsche eines Christian Worch in Leipzigs Straßen Proteste auslösten und Polizeihundertschaften das Häuflein der National-Marschierer eskortieren musste durch Sitzblockaden und Protestketten. Ein Szene-Laden hat den Protest erneut geschürt.

Und das Bündnis „Ladenschluss“, das sich formierte, um den unverhofft in der Richard-Wagner-Straße eingemieteten Thonsberg-Laden in die Kritik zu nehmen, wegzutrommeln, fortzudemonstrieren, musste tatsächlich erst einen Brief schreiben an die Verwaltungsspitze, um ein klares Bekenntnis zu bekommen. Das gab am Mittwoch der für Umwelt, Ordnung, Sport zuständige Dezernent, Heiko Rosenthal (Linkspartei) auf konkrete Anfrage der Linksfraktion im Stadtrat ab. Er äußerte seine „Bedenken“ in Bezug auf die Eröffnung der „Thor Steinar“- Filiale in der Richard-Wagner-Straße. Der Vermieter würde, sagte er, in allen Bestrebungen zur Beendigung des Mietverhältnisses unterstützt.

Dazu erklärt Stephanie Kesselbauer, Pressesprecherin des „Ladenschluss“-Bündnisses: „Endlich bezieht die politische Klasse dieser Stadt zur Eröffnung eines Life-Style-Ladens von und für Rechtsorientierte Stellung. Dem verspäteten Bekenntnis müssen nun Taten folgen. Die Ankündigung der Stadt, Vermieter, Geschäfts- oder Gaststättenbetreiber über rechte Strukturen, Codes oder Tarnvereine aufzuklären ist ein solcher erster Schritt.“

Aber eben nur ein erster. Konsequenz gehört schon dazu, wenn ein paar Strippenzieher ein durchaus politisches Interesse haben, rechtslastige Präsenz im Alltag des Landes zu etablieren. Es geht um Einfluss und Macht. Gerade auch deshalb, weil ein ganz Teil Politiker glaubt, das Problem durch Niederhalten kleinreden zu können. Das Ergebnis sind durchaus bedrohte demokratische Strukturen und Spielregeln. Was nicht nur auf die rechtsradikale Szenerie zutrifft. Aber gerade auch auf diese. Und da muss auch der Fußballclub Lok Leipzig, der das Problem lange ausgesessen hat, noch ein paar Hausaufgaben machen.

Das Tragen von Thor-Steinar-Bekleidung durch Ordner des Fußball-Vereines Lok Leipzig war ein weiterer Schwerpunkt der „Ladenschluss“-Anfrage an den OBM. Auch beim Spiel der zweiten Mannschaft von Lok Leipzig gegen den Verein Roter Stern trabten einige Ordner fröhlich in der in einigen Bundesländern indizierten Modemarke auf. Und das, obwohl der Verein in Folge zahlreicher Vorfälle in jüngster Vergangenheit erst im Oktober seine Stadienordnung um das Verbot „rassistischer, fremdenfeindlicher, gewaltverherrlichender, diskriminierender sowie rechts- und/oder linksradikaler“ Symboliken erweitert hatte. Auch wenn die Marke in Sachsen nicht verboten ist – Thor Steinar gehört dazu. Der Betreiberverein des Zentralstadions schloss sich diesem Schritt dieser Tage an.

Dazu Stephanie Kesselbauer: „Ein explizites Verbot von Thor-Steinar-Bekleidung in den Leipziger Fußball-Stadien wäre zu begrüßen. Auch der sächsische Verfassungsschutz belegt eine rapide angestiegene Präsenz gewalttätiger Rechtsextremisten im Fußballmilieu. Wer aber das Nazi-Problem zum ‚Extremismus‘-Problem macht, setzt Rassismus, Antisemitismus und Homophobie mit humanistischen, weltoffenen Einstellungen gleich. Die Aussage des Ordnungsbürgermeisters in der Stadtratssitzung am 14. November, dass Politik nichts auf dem Fußballplatz zu tun hat, können wir nicht zustimmen: Das Bekenntnis gegen rechts muss überall und zu jeder Zeit Platz finden. In diesem Sinne ist das Stadionverbot für linke Symboliken, wie das der antifaschistischen Kampagne ‚Let’s fight white pride‘ ein Schritt in die falsche Richtung.“

Das „Ladenschluss“-Aktionsbündnis gegen Nazis plant unterdessen weitere Aktionen: Für den 24. November wird ein Kulturevent vorbereitet. Im Dezember startet eine „Weihnachtsgeschäft“-Kampagne. Dass mit dem Bekenntnis des Ordnungsbürgermeisters der Streit um den „Thonsberg“-Laden nicht ausgestanden ist, zeigt das Beispiel Magdeburg: Der Betreiber genießt den Gang vors Gericht. Er verlangt eine „Abfindung“ in sechsstelliger Höhe. Auch so kommt das rechte Netzwerk zu Geld.

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