Nazis versuchen sich wiederum in „Anti-Kinderschänder“-Mobilisierung

* Tod von Michelle endlich aufgeklärt *Nazis und Hooligans wollen den Mord weiter für sich instrumentalisieren *Todesstrafe ist keine Lösung.
Das Ladenschluss-Bündniss zu den aktuellen Ereignissen und der Nazimobilisierung „für die härteste, mögliche Strafe für Kindermörder“

Als am Montag Nachmittag auf einer Pressekonferenz verkündet wurde, dass der Mord an der 8-jährigen Michelle weitgehend aufgeklärt sei und der mutmaßliche Täter gefasst wurde, ging ein aufatmen durch die Stadt, insbesondere durch die Familien, die selber Kinder haben. Viele Leipzigerinnen und Leipziger und auch Menschen in anderen Städten gedachten der Ermordeten und bekundigten in Beileid an die Familie von Michelle.
Wenige andere versuchten hingegen, den furchtbaren Mord für ihre eigene menschenfeindliche Ideologie zu instrumentalisieren und auf dem Rücken der Toten und ihrer Familie Politik zu machen. So führten Ende August Nazis aus dem Großraum Leipzig zusammen mit Hooligans aus dem Umfeld der „Blue Caps LE“ mehrere Demonstrationen durch, auf denen die „Todesstrafe für Kinderschänder“ aber auch die übliche nazistische Ideologie propagiert wurden. Damit stellten sich die Nazis zum einen ausdrücklich gegen den Wunsch der Eltern des Opfers, die über ihre Anwältin verkünden ließen, dass sie die Instrumentalisierung ablehnen.
Auch am Dienstag, 10.3. soll erneut eine Nazidemonstration stattfinden.
Dazu rufen die „Blue Caps LE“ auf, eine Hooligangruppierung aus dem Umfeld des 1. FC Lok, die sonst selbst durch brutale und menschenverachtende Gewalt auffällt. Nach den Erfahrungen der Demonstrationen im August 2008 muss davon ausgegangen werden, dass sich auch andere Nazis an der Demonstration beteiligen werden. Dass gerade Nazis, die den millionenfachen und barbarischen Mord an Menschen im Dritten Reich relativieren oder gutheißen und mit ihrer Ideologie noch immer Gewalt und Ausgrenzung von Menschen propagieren, vorgeben für das Wohl von Kindern einzustehen, ist einerseits völlig absurd, zeigt jedoch andererseits die menschenverachtende
Ideologie der Nazis, die zwischen verschiedenen Kindern unterscheiden und Kinder, die sie als „Fremde“, „nicht-Deutsche“ oder „Feinde“ wahrnehmen, abwerten. Nicht zu vergessen ist, dass von Nazis immer wieder Gewalt – auch gegen Kinder und Minderjährige – ausgeht. Zu erinnern sei beispielsweise an den hessischen Nazi Kevin S., der im Sommer 2008 auf ein schlafendes 13-jähriges Mädchen mit einem Klappspaten eingeprügelt hat.

* Wir bitten Sie daher den Wunsch der Eltern des Kindes zu respektieren und sich nicht an einer politischen Instrumentalisierung des Falls durch Nazis zu beteiligen.
* Nazis sind keine Kinderfreunde, sondern Menschenfeinde.
* Gegen jede menschenverachtende Gewalt – egal ob sie von Kindermördern, Nazis oder Hooligans ausgeht und egal gegen wen sie gerichtet ist.

Die Todesstrafe ist keine Lösung!

So nachvollziehbar so- wohl die Trauer als auch die Wut nach einem Mord sind, so unverständlich ist es, daraufhin gleich den nächsten Mord zu fordern – denn nichts anderes ist die Todesstrafe. Das Umbringen und Töten von Menschen ist nie eine Lösung, sondern an und für sich ein Problem. Die Todesstrafe verhindert nie einen Mord, weil sie immer erst nach einem solchen erfolgt, also immer nur reagieren kann, wenn es bereits ein Opfer gibt. Eine lebenslange Sicherheitsverwahrung bei rückfallgefährdeten Personen wäre eine mögliche Option zu Eindämmung des Problems – jedoch letztlich auch nur eine reaktive und keine präventive Maßnahme.

An dieser Stelle wollen wir auf die häufgsten Argumente für die Todesstrafe eingehen:

>>> „Die Todesstrafe wirkt abschreckend.“
Besonders schlimme Vergehen an Menschen sind oftmals Affekthandlungen, bei denen die Täter nicht über die Konsequenzen nachdenken. Bei Taten die als „Triebtaten“ bezeichnet werden, fndet – wie bei den meisten Straftaten – keiner rationale Überlegung statt („Für die Strafe begehe ich die Tat, für diese jedoch nicht“). Insbesondere die Staaten mit Todesstrafe zeigen immer wieder, dass die Todesstrafe nicht in der Lage ist Kriminalitätsprobleme zu lösen.

>>> „Die Todesstrafe verhindert solche Taten.“

Die Todesstrafe kann wie alle Strafen immer nur auf eine Tat (in diesem Fall auf einen Mord) reagieren, aber ihn nicht verhindern. Dass nur die Todesstrafe einen Rückfall verhindert, stimmt indes auch nicht. Dazu würde auch eine lebenslange Sicherheitsverwahrung ausreichen. Aber auch diese greift erst, wenn bereits ein Mord geschehen ist. Aufgrund der Tatsache, dass es in diesem wie auch anderen Ländern auch immer wieder pädophile Menschen geben wird, muss vielmehr überlegt werden wie Kinder bereits im Vorfeld vor Übergriffen geschützt werden können. Der Ruf nach Todesstrafe bezieht sich nur auf die Täter und blendet wirksame Maßnahmen zum Opferschutz aus.

>>> „Die Todesstrafe ist gerechtfertigt.“

Die Todesstrafe tut genau dies, wogegen sie sich zu richten vorgibt: Sie tötet Menschen und fügt somit einem Mord den nächsten hinzu. Aus allerlei historischen Erfahrungen und mit dem Wissen, dass auch immer wieder Unschuldige hingerichtet werden lässt sich die Ablehnung der Todesstrafe, die lediglich ein sinnloser Racheakt ist, der nichts mit einer aufgeklärten und humanen Gesellschaft zu tun hat, ablehnen. Das Töten von Menschen ist niemals gerechtfertigt.
Die Hinrichtung des Täters macht zudem – nüchtern betrachtet – weder das Opfer wieder lebendig noch lindert sie das Leid der Hinterbliebenen. Außerdem erleiden auch die Angehörigen des Täters einen Verlust. Der von Angehörigen der Opfer geäußerter Wunsch nach Vergeltung, der aber allzu oft Rache meint, ist zwar menschlich durchaus verständlich, doch eine wirkliche Wiedergutmachung ist durch das Töten des Täters nicht möglich. Richter müssen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen urteilen, die bewusst dem Einfuss des „gesunden Volksempfndens“ entzogen worden sind. Es gibt immer wieder Familien, die erklären, dass ihnen die Hinrichtung des Mörders keinen Trost gespendet habe, sondern es nur schwerer gemacht habe, das Geschehene zu verarbeiten. Dem Verlangen nach Gerechtigkeit und dem Strafbedürfnis kann auch durch alternative Sanktionen Genüge getan werden.

>>> „Wer Tötet, hat sein eigenes Leben verwirkt.“
Keine rechtsstaatliche Strafgesetzgebung stützt sich auf den Verwirkungsgedanken. So hat beispielsweise jemand, der stiehlt, nicht grundsätzlich sein Recht auf Eigentum verwirkt. Genauso verhält es sich bei Mördern. Auch diese verlieren durch die Tat nicht ihr Recht auf Leben. Hintergrund ist das in internationalen Menschenrechtsvereinbarungen verankerte Prinzip, dass die Menschenrechte für alle Menschen ohne Ansehen der Person Gültigkeit besitzen, also auch für den übelsten Gewaltverbrecher. Insofern ist es unzulässig, die Menschenrechte des Opfers denen des Täters gegenüberzustellen oder sie gegeneinander aufzurechnen.

Eine Publikation des „Ladenschluss“-Aktionsbündnis gegen Nazis, 10. März 2009

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