Wie die Stadt Leipzig in der Ratsversammlung vom 17.6. bestätigte, fand in der Kamenzer Straße 10/12 im Nordosten der Stadt bis dato zumindest ein solches Konzert statt – von dem die Polizei erfahren hat. Der Besitzer gehört laut Polizeipräsidenten der „rechtstextremen Szene“ an
In der Ratsversammlung am 17.6. stand eine Einwohneranfrage der Gruppe Gedenkmarsch auf der Tagesordnung. Die Gruppe hatte am 3. Mai 2009 für die Opfer der Todesmärsche 1945 eine Veranstaltung vor jenem Gebäude durchgeführt, denn in der Kamenzer Straße 10 befand sich vom Sommer 1943 bis zum April 1945 ein Außenlager des KZ Buchenwald, ein Arbeitslager des deutschen Rüstungskonzerns HASAG. Auch von hier aus wurden noch im April 1945 ZwangsarbeiterInnen auf die so genannten Todesmärsche geschickt.
Während der Gedenkveranstaltung sprach Ester Bejarano zu den Teilnehmenden, eine Überlebende der KZ Auschwitz und Ravensbrück. Währenddessen gab es Unruhe am Rande der Veranstaltung, als der Besitzer des Geländes versuchte, auf dieses zu gelangen. Später setzte die kleine Gruppe noch einen Wegestein am Rande des Geländes. Nun gab die Polizei den VeranstalterInnen vor Ort einen denkwürdigen Rat: da der Besitzer mit diesem Symbol ein politisches Problem haben könnte, solle man den Stein doch lieber wieder mitnehmen. Tatsächlich sollen Verbindungen zwischen dem Besitzer und der organisierten Neonaziszene in Leipzig bestehen: der Polizeipräsident Horst Wawrzynski sprach gegenüber der LVZ: seit ein „Rechtsextremer“ im Nordosten der Stadt ein Grundstück gekauft hat, würden dort regelmäßig „Skinhead-Konzerte“ stattfinden (LVZ vom 4.April 2009).
„Wir freuen uns, dass die Stadt Leipzig und die Polizeibehörden ein Auge auf die Nutzung des Objektes Kamenzer Straße 10/12 haben. Nach einem Konzert des extrem rechten Spektrums am 8.11.2008 wurden weitere Veranstaltungen durch die Polizei unterbunden. Baurechtlich ist jegliche Nutzung der Gebäude für Veranstaltungen formal nämlich nicht zulässig. Darüber hinaus muss dringend verhindert werden, dass dieser Ort ein neuer Wallfahrtsort für Neonazis wird. Bekanntermaßen haben gerade Rechts-Rockkonzerte eine große Ausstrahlungskraft auf die entsprechende Szene und sind ein wichtiges Element der Nachwuchsarbeit.
„Nichts desto trotz wäre eine offensivere Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Leipzig im Vorfeld ein wichtiges Signal für das Anliegen des Gedenkmarsches – das Erinnern an die Opfer des Todesmärsche – gewesen. Bereits am 25.10.2008 führte die Route eines Aufmarsch der Jungen Nationaldemokraten an der Gedenkstätte für Zwangsarbeiter in der Permoserstraße 15 vorbei – durch die Öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt.
Wir erwarten, dass die Stadt ihren Informationsvorsprung nutzt, Öffentlichkeit herstellt und somit zivilgesellschaftliche Proteste ermöglicht und bestärkt.“ “, so Juliane Nagel, die die Einwohneranfrage mit Unterstützung der Gruppe Gedenkmarsch gestellt hat.
Auszug aus der Niederschrift der 58.Ratsversammlung,
Tagesordnungspunkt 8: Einwohneranfragen
8.2. Gedenkmarsch (IV/EF 174)
Bürgermeister Rosenthal trägt vor, das Areal Kamenzer Straße 10/12 befinde sich im Gewerbe- und Industriepark Leipzig-Nordost. Es handele sich um eine Industriebrache mit mehreren Hallen. Davon sei eine Halle durch den privaten Eigentümer instandgesetzt worden und deren Vermietung an Dritte zu Lagerzwecken beabsichtigt. Baurechtlich bestehe für das auch im Zusammenhang mit der Anfrage in Rede stehende Gebäude in der Kamenzer Straße 12 kein Bestandsschutz, was bedeute, dass jegliche Nutzung insbesondere für Veranstaltungen formal nicht zulässig sei.
Behördlicherseits sei bekannt geworden, dass zumindest am 8. November 2008 unzulässigerweise eine Konzertveranstaltung im Objekt Kamenzer Straße 10/12 stattgefunden habe, an der ca. 400 Personen teilnahmen. Es sei ein Polizeieinsatz durchgeführt worden, wobei keine Musik mit strafrechtlich relevantem Inhalt und keine verfassungsfeindlichen Symbole festgestellt worden seien. In der Folge sei dieser Umstand in Zusammenarbeit zwischen dem Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, dem Ordnungsamt und der Polizeidirektion Leipzig ausgewertet worden. Nach Prüfung der oben genannten baurechtlichen Sachverhalte sei dem Eigentümer schriftlich mitgeteilt worden, dass bei Nutzung der Räumlichkeiten für Veranstaltungszwecke ein Verstoß gegen § 80 der Sächsischen Bauordnung vorliege. Für den Fall der Fortführung der Aktivitäten ohne vorheriges Bauantragsverfahren sei die Anordnung einer Nutzungsuntersagung angedroht worden. Seither würden bei vorliegenden Erkenntnissen über beabsichtigte Veranstaltungen diese unter Verweis auf baurechtliche Verfügungen der Stadt Leipzig bzw. bei Hinweisen auf die Teilnahme einer als rechtsextremistisch eingestuften Musikgruppe und der sich daraus ergebenden konkreten Gefahr der Begehung von Straftaten nach § 86a des Strafgesetzbuches durch die Polizei unterbunden.
Das erwähnte Gelände habe sich nicht im Besitz der Stadt Leipzig befunden. Selbstverständlich sei der Stadtverwaltung bekannt, dass sich auf dem ehemaligen Gelände der HASAG von 1943 bis zum April 1945 ein Außenlager des KZ Buchenwald befunden habe. Im Rahmen der Zuarbeiten zu einem im Beratungsverfahren befindlichen Entwurf eines Sächsischen Versammlungsgesetzes sei daher unter anderem auch dieses Areal von der Stadt Leipzig als besonders schützenswerter Ort benannt worden.
Der Stadt Leipzig sei sehr wohl die kritische Eigentums- und Nutzungssituation dieses Geländes bekannt. Grundsätzlich stehe jedoch dem Veranstalter einer Ver-sammlung ein Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich des Ortes der Versammlung zu. Auf keinen Fall sei es möglich, pauschal Versammlungen zu verbieten, die an einem bestimmten Ort oder zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden. Solche Maßnahmen erforderten jetzt und auch in Zukunft stets verwertbare Gefahrenprognosen. Eine Gefahrenprognose, wonach aufgrund der angemeldeten Versammlung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rechtsgutverletzung zu befürchten gewesen sei, habe anlässlich der Versammlung am 3. Mai 2009 nicht vorgelegen. Darauf fußend sowie unter besonderer Berücksichtigung der historischen Bedeutung als Außenlager des KZ Buchenwald habe sich eine Einflussnahme auf den Willen des Veranstalters verboten. Er, Rosenthal, halte jedoch die öffentliche Kundgabe in Beachtung der derzeitigen Nutzung für geboten.
Am 3. Mai 2009 sei es nicht zu Zwischenfällen am Objekt gekommen, die im Zusammenhang mit dem Gedenkmarsch standen. Der von der Fragestellerin beschriebene Versuch einer Konfrontation zwischen einer auf dem Grundstück befindlichen Person und Versammlungsteilnehmern sei von der Polizei unterbunden worden, was schließlich auch dem Auftrag der Polizei bei der Absicherung von Versammlungen entspreche