Neonazis nutzen Wohnhaus in der Langen Straße in Leipzig als neuen Anlaufpunkt

Ladenschlussbündnis fordert Eigentümerin des Hauses zur Beendigung der Mietverhältnisse auf und warnt davor, dass der Leipziger Osten erneut zum Hauptaktionsfeld von Nazis wird

Pressemitteilung vom 10.1.2012

Seit November 2011 nutzen Personen, die der Leipziger Neonaziszene angehören, eine Wohnung in der Langen Straße 15 (Zentrum-Ost) als semi-öffentlichen Party- und Veranstaltungsraum.

Der erste Akt der Nazimieter war das Hissen einer Fahne mit der Aufschrift „My blood is my honour, my race is my pride“ aus dem Fenster einer der beiden angemieteten Wohnungen. Die Fahne wurde erst nach drei Wochen entfernt. Die Hausverwaltung – die SGK Liegenschaftsverwaltung GmbH – Teil der Kling Group und damit des Firmennetzwerkes der Eigentümer des Hauses in der Langen Straße, der Familie Kling – blieb trotz mehrmaliger Beschwerden von HausbewohnerInnen und AnwohnerInnen der Langen Straße untätig.

Fahne Lange Straße

Mittlerweile gehen in den Wohnungen bekannte Gesichter der NPD Leipzig sowie der gewaltbereiten, rechtsorientierten Fußball-Fan-Szene ein und aus. Es ist zu befürchten, dass sich hier ein neuer Anlaufpunkt der lokalen Neonaziszene etabliert – geduldet von der Eigentümerin des Hauses, der Gesellschaft für Liegenschaftsverwaltung Kling mbH Projekt Lange Straße 13/15.

Im Zuge einer ersten größeren Veranstaltung in der von den Nazis genutzten Wohnung im Erdgeschoss in der Nacht vom 9. zum 10. Dezember wurden einschlägige Nazislogans wie „Sieg heil“ skandiert, die bis auf die andere Straßenseite zu hören waren.
Erst nach mehrmaligen Besuchen durch die Polizei löste sich die Veranstaltung allmählich auf. Am nächsten Morgen fand sich verschiedenes Hausinventar zerstört.

In der Silvesternacht nahmen die Ereignisse einen vorläufigen negativen Höhepunkt. Ca. 30 Besucher der von den Nazis angemieteten Wohnungen randalierten im Haus Lange Straße 15. Nachbarn beobachteten, dass sie auf der Straße vor dem Haus mit ungewöhnlich kräftigen Böllern zwei Autos angriffen und diese zerstörten. Außerdem beleidigten die feiernden Nazis unbeteiligte Personen und griffen auch diese mit Böllern an. Die Polizei, die von AnwohnerInnen der Langen Straße gerufen wurde, blieb mit Verweis auf silvesterbedingte Überlastung untätig.

Für die AnwohnerInnen der gesamten Langen Straße, unter anderem auch Familien mit Kindern, stellt die neue Nachbarschaft eine reale Bedrohung dar. Ruhestörung und Zerstörungen sind dabei „nur“ eine Seite der Medaille. Die Präsenz von Neonazis, die Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, abwerten, diskriminieren und dabei auch vor Gewalt nicht zurückschrecken, ist in erster Linie eine echte psychische Belastung. Die ständige Angst vor Beleidigungen und Angriffen macht ein unbeschwertes Leben und Wohnen unmöglich.

Verschiedene Interventionen bei der Eigentümerin des Hauses, der Geschäftsführerin der Gesellschaft für Liegenschaftsverwaltung Kling mbH Projekt Lange Straße 13/15, Nicole Kling, und den von ihr eingesetzten Verwaltungen blieben ergebnislos. Nachdem die Verwalterfirma nach den ersten Beschwerden wegen Sachbeschädigung und Ruhestörung gewechselt hat und auch vor dem Hintergrund der Untätigkeit der Polizei bei Zwischenfällen wie in der Silvesternacht bleibt der Schritt in die Öffentlichkeit die letzte Möglichkeit, um die Situation zu verändern.

Wir fordern die Eigentümerin des Hauses Lange Straße 15 – vertreten durch die Geschäftsführerin Frau Nicole Kling – auf, die Bedenken und Ängste der HausbewohnerInnen und AnwohnerInnen ernst zu nehmen und das Mietverhältnis mit den Nazis zu beenden.

Das Ladenschlussbündnis richtet in diesem Zusammenhang den Blick auf weitere Entwicklungen im Leipziger Osten. Nicht nur der Einzug von Neonazis in das Wohnhaus in der Langen Straße bestärkt die Vermutung, dass der Osten erneut zum zentralen Aktionsfeld für Neonazis werden könnte. Auch ein neuer Laden im Täubchenweg, dessen Sortiment zum großen Teil aus der bei Neonazis beliebten Marke Thor Steinar besteht, weist darauf hin.
Darüber hinaus nutzen nach Angaben des Sächsischen Innenministeriums die neonazistischen „Freien Kräfte“ nach ihrem Auszug aus dem Nazizentrum in der Odermannstraße 8 eine Lokalität in der Wurzner Straße in Sellerhausen als Treffpunkt.

Das Aktionsbündnis verweist auf die Jahre 2007/ 2008 als die damals neu gegründeten „Freien Kräfte“ im Osten massiv aktiv waren. Neben verschiedenen Aufmärschen und Propagandaaktionen gab es zu dieser Zeit zahlreiche Übergriffe auf ein von Studierenden bewohntes Wohnhaus in der Holsteinstraße in Reudnitz.

Solche Zustände dürfen sich nicht wiederholen, menschenverachtende Ideologien dürfen nicht geduldet werden. Wir appellieren die aktuellen Entwicklungen ernst zu nehmen, sich zu vernetzen und sich an geplanten Protestaktivitäten zu beteiligen.

Anlage – Informationen zu den Nazimietern/ -nutzern in der Langen Straße 15

Folgende Akteure der Leipziger Neonaziszene sind regelmäßige Gäste in der Langen Straße 15, möglicherweise auch Mieter. Die beiden Wohnungen werden von ihnen augenscheinlich als Lager- und als semi-öffentliche Party- und Veranstaltungsräume genutzt.

Frühere Versuche die bis November 2011 leer stehenden Wohnungen anzumieten scheiterten an der Ablehnung der Eigentümerin bzw. Verwaltungsgesellschaft, so dass angenommen werden muss, dass zwischen den Neonazis und der Eigentümerin ein Bekanntschaftsverhältnis besteht.

1. Felix Sch., 19 Jahre, Protagonist der Jungen Nationaldemokraten Leipzig. Neben der Teilnahme an zahlreichen Aktionen, etwa der Störung eines Autokorsos alliierter Fahrzeuge auf dem Augustusplatz Leipzig im April 2010, spielt er gern den Nachwuchstheoretiker – etwa bei einer Nazidemo in Eberswalde, wo er als Redner auftrat. ER ist dem Umfeld des Nazizentrums in der Odermannstraße zuzuordnen.
(siehe auch GAMMA 187, Sommer 2010)

2. Andreas und Dittmar Sch. („Die Twins“), die beiden 23-jährigen sind ein-eiige Zwillinge und zählen seit mehreren Jahren zu den gewalttätigsten Mitgliedern der Leipziger Hooligan- und Neonaziszene. Beide bewegen sich im Umfeld des 1. FC Lokomotive Leipzig und sind dort in der Gruppe „Scenario Lok“ aktiv.
Seit 2006 laufen die beiden mehrfach vorbestraften Brüder bei Leipziger Neonaziaufmärschen mit. Aktuell engagieren sie sich bei den Jungen Nationaldemokraten und den Freien Kräften in Leipzig und in der Odermannstraße 8. Beide waren u.a. an den Übergriffen auf Chemie-Fans in der Merseburger Straße im Oktober 2009 (dabei wurde u.a. ein Chemie-Fan von Neonazis mutwillig mit einem Auto angefahren http://www.chronikle.org/ereignis/brutaler-neonazi-ueberfall-fussballspiel-bsg-chemie-leipzig-fordert-schwerverletzten) und auf nicht-rechte Personen am 23.4.2010 auf dem Augustusplatz (http://www.chronikle.org/ereignis/jn-leipzig-stoert-veranstaltung-gedenken-sieges-nationalsozialismus) beteiligt.
(siehe auch GAMMA 187, Sommer 2010)

3. Klaus Peter Kotré, 42, ist aktives NPD-Mitglied und trat 2009 für die Partei zur Kommunalwahl an. Kotré ist Gründungsmitglied des „Kulturverein Leipzig-West e.V.“, welcher bis zum 30.9.2011 Räumlichkeiten in der Odermannstraße 8 nutzte. Auch er war an besagtem Übergriff auf Chemie-Fans im Oktober 2009 beteiligt.

4. Tanja Baki, 38, war 2009 Stadtratskandidatin der NPD in Leipzig-Grünau und Vorstandsmitglied des „Kulturverein Leipzig-West e.V.“ Ihre Tochter Janine fühlt sich in der Szene ebenfalls wohl. Im September 2010 feierte sie z.B. Ihren Geburtstag im Nazizentrum in der Odermannstraße 8.

Medien zum Thema:

NPD-Büro in der Odermannstraße bleibt – neuer Neonazi-Treffpunkt im Leipziger Osten (LVZ-online, 11.1.12)

Rechter Aufruhr im Leipziger Osten
(Leipzig Fernsehen, 11.1.2012)

Das NPD-Zentrum in der Odermannstraße soll weiter für Veranstaltungen genutzt werden
(Mephisto 97,6, 12.1.2012)

außerdem:

Gamma-Antifa-Newsflyer 192, u.a. zum Thema neue Nazitreffpunkte in Leipzig pdf-download

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