Neonazis als Nachbarn

Wurden Rechte im Leipziger Osten angeheuert, um Wohnhaus zu entmieten? Linkspartei kritisiert Informationspolitik der Eigentümer. Antifa-Aktionswoche angekündigt

Von Anna Dumange, junge welt 22.2.2012

Der Leipziger Stadtteil Reudnitz gilt als sicheres Pflaster für Neonazis. Die NPD hat dort und in den umliegenden Bezirken eine große Stammwählerschaft, bereits in den Jahren 2007 und 2008 wurden alternative Wohn- und Kulturprojekte von Neonazis angegriffen. Nun brodelt es wieder im Leipziger Osten. Kneipen werden verstärkt von rechtem Publikum frequentiert, ein »Thor-Steinar«-Laden wurde eröffnet. Für Aufsehen sorgen zudem die Vorgänge in einem unsanierten Wohnhaus in der Langen Straße, die Juliane Nagel, Stadträtin der Linkspartei, zusammen mit dem Ladenschluß-Bündnis im Januar öffentlich machte.

In die Hausnummer 15 zog im November 2011 eine Gruppe Rechter in zwei Wohnungen im 3. Stock und im Erdgeschoß. Dabei hatte die SGK-Liegenschaftsverwaltung noch im Spätsommer zwei Mietanfragen mit der Begründung abgelehnt, das Haus, in dem Studenten und junge Familien günstig wohnten, solle leergezogen und saniert werden. Die Liegenschaftsverwaltung ist ein Teil des Immobiliengeflechts Kling Group, in deren Aufsichtsrat die Hauseigentümerin, Rechtsanwältin Nicole Kling, sitzt. Kurz darauf zogen die neuen Mieter ein, die ihren Einstand alles andere als friedlich gaben. Eine Flagge mit der Aufschrift »My blood is my honour, my race is my pride« wurde gehißt, Beschwerden der Hausbewohner bei Verwaltung und Eigentümerin liefen ins Leere. »Sehr kräftige und durch entsprechende Kleidung offensichtliche Nazis« seien die neuen Mieter gewesen, berichtete einer der Hausbewohner gegenüber junge Welt. Ihm sei sofort klar gewesen, »daß das nicht auf nette Nachbarschaft hinauslaufen wird.«

In den folgenden Wochen sollte sich das bestätigen. Die Hausbewohner wurden beleidigt und bedroht, bei zwei Partys »kam es zur Zerstörung von Briefkästen und Klingelanlage, ein Fahrrad wurde zertreten, Hitlergrüße vor dem schwul-lesbischen Projekt Rosalinde zwei Häuser weiter gezeigt«, erinnert sich der Mieter. Ende Dezember sei das Wasser im Haus abgedreht und der Zugang zu der Versorgungsanlage zerstört worden. Es habe regelmäßige Treffen von Neonazis im Erdgeschoß gegeben – die Räume wurden offenbar nicht als Wohnraum, sondern als Treffpunkt genutzt. Köpfe der Leipziger Neonaziszene wie Tanja Baki, NPD-Stadtratskandidatin und die rechten Hooligans Andreas und Dittmar Sch., auch »Twins« genannt, seien dort gesehen worden, berichtete Linksparteipolitikerin Nagel.

Obwohl die Polizei vor Ort war, Hausverwaltung und Eigentümerin wiederholt informiert wurden, blieb eine Reaktion aus. Statt dessen wurde die Hausverwaltung an die OZ Immobilien im sächsischen Oschatz übertragen. Dort will man von dem Fall nichts wissen. Die Eigentümerin Nicole Kling sei Anwältin, hieß es auf Anfrage der jungen Welt, man habe von ihr ein Auskunftsverbot gegenüber der Presse erhalten. Wohl nicht grundlos. Der Verdacht, daß das Haus mit Hilfe der Neonazis entmietet werden sollte, liegt nahe und wäre ein Präzedenzfall, der das Image der Kling Group nachhaltig schädigen würde. Nicole Kling habe den Verfassern eines Flugblattes, in dem vor den Neonazis gewarnt wird, sogar eine Abmahnung geschickt, berichtete Nagel. »Ein solch hilfloser Versuch drückt vor allen Dingen Indifferenz und Verantwortungslosigkeit aus.« Nachdem der Fall öffentlich wurde, ging im Haus ein Schreiben ein, daß den Mietern aus dem Erdgeschoß gekündigt worden sei.

Die Mitbewohner trauen dem Frieden nicht. Es blieben Fragen offen und ein »ungutes Gefühl«. Interessant sei, daß die Wohnungen nie zur Vermietung ausgeschrieben waren und von den Nazis nicht als Wohnraum genutzt wurden. Das könnten Hinweise dafür sein, daß die Rechten wissentlich in das Haus geholt wurden. Das Ladenschluß-Bündnis bereitet derzeit eine Aktionswoche gegen die neonazistischen Aktivitäten im Leipziger Osten vor.

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