Keine jugendliche Dummheit, sondern ein Teil gefestigter neonazistischer Strukturen

Eigentlich hätte es keinen weiteren Anlass für diesen Text gebraucht, um Timo Feuchts Lippenbekenntnisse in Bezug auf seine Läuterung als das zu benennen, was sie sind – nähmlich einfache Heuchelei. Aber ein in der Berliner Zeitung erschienener Artikel macht es noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, Neonazis nicht nach eigenem Belieben entscheiden zu lassen, welches Bild sich von ihnen in der Öffentlichkeit durchsetzt.
Der folgende Beitrag wäre auch so veröffentlicht worden. Doch muss nun noch einmal vorangestellt werden, dass ein emphatisches Porträt des neonazistischen Schlägers, nichts daran ändert, dass Feucht bisher keinen Anlass dazu geliefert hat, ihn getrennt von seiner Rolle in der organisierten Neonaziszene zu sehen. Dass sich dabei die Berliner Zeitung in einem nicht tiefer gehend recherchierten Artikel dazu herablässt, Feucht und den deutschen MMA Funktionär Michael Wachter als antirassistisches Dreamteam zu inszenieren, ist nichts mehr als ein billiger Versuch sich rein zu waschen.

Timo Feucht als Repräsentant der Anti-Racism-Kampagne der Global Association of Mixed Martial Arts einzusetzen, ist berechnend, durch keinerlei Handlungen Feuchts gerechtfertigt und somit zynisch.

Wer ist Timo “Teddy” Feucht?

Der 1996 geborene Timo Feucht wurde in der Fanszene des 1. FC Lokomotive Leipzig sozialisiert und trat im Jahr 2014 beim Abriss des NPD-Büros in der Odermannstraße 8 zum ersten Mal als Akteur im neonazistischen Umfeld in Erscheinung. Feucht tauchte tief in den Sumpf organisierter Neonazis um Akteure wie Thomas K., Christopher H. und Benjamin Brinsa ein. Timo Feucht trat 2015 mehrmals als Kämpfer bei der „Imperium Fightinging Championship“ (IFC) an. Er war zu diesem Zeitpunkt Teil des Teams um Benjamin Brinsa, gemeinsam mit weiteren bekannten Neonazis und rechten Schlägern aus Leipzig und dem Umland. Zu dieser Zeit stellte Feucht mehrfach seine Nähe zu diversen rechten Strukturen zur Schau, so bspw. mit einem T-Shirt der „Rowdys Eastside“ – einem rechten Motorrad Club mit besten Kontakten ins kriminelle Milieu –, welches er in einem Interview mit „Fight24.tv“ trug. Oder durch sein Tattoo “blue yellow army”, das Bezug auf die rechtsradikale Hooligangruppierung Szenario LOK nimmt, die sich selbst auflöste, um einem Verbot zuvorzukommen. Im Jahr 2016 beteiligte sich Feucht gleich zwei Mal an organisierten Angriffen auf politische Gegner*innen. Im Januar überfielen rund 250 Neonazis und rechte Hooligans in einem koordinierten Angriff den Stadtteil Leipzig-Connewitz und griffen dabei Menschen und Läden an. Und nicht nur war Timo Feucht einer der von der Polizei unmittelbar in Gewahrsam Genommenen, auch wurde ihm in einer der nachfolgenden Gerichtsverhandlungen durch die Aussage von einem Angeklagten eine Rolle in der Mobilisierung des Angriffes zugeordnet. Dieser Angeklagte berichtete in einem Prozess, dass es Feucht gewesen sei, der die Rundnachricht, die zum koordinierten Angriff mobilisierte, weiterverteilte und auch er diese von ihm erhalten hatte. Im Juni 2021 wurde Timo Feucht vor dem Amtsgericht in Eilenburg für seine Beteiligung in Connewitz nach Jugendstrafrecht zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt. In seiner knappen Einlassung behauptete er sich alleine nach Connewitz begeben zu haben und beklagte eine mediale Hetzkampagne gegen ihn, die seiner MMA-Karriere geschadet hätte. Er begründete seine dürftige Einlassung und das nicht benennen von weiteren Beteiligten, die er erkannt haben will und ihm bekannt seien damit, dass sein Gedächtnis durch die Schläge auf dem Kopf beim MMA nicht das Beste sei. Im September 2016 war Feucht bei dem versuchten Angriff auf Fans des Fußballclubs BSG Chemie in Gera beteiligt.

Wir sagen: In solche neonazistische Kreise stolpert keine*r einfach so rein. Timo Feucht war genau der Mann, der er sein wollte: Ein ins kriminelle Milieu vernetzter, gewaltausübender Neonazi.

Gescheiterter Anlauf für die UFC zu kämpfen

Neben seiner Karriere als Neonazi war Feucht immer mit dem Ausbau seiner Kämpferkarriere beschäftigt. Viele Jahre trainerte er im Imperium Fight Team und nahm an Kampfsportevents der Neonaziszene teil, wie dem “Imperium Fighting Championship” oder der “8. La Familia Fightnight”. Ab 2017 unternahm er den ersten Versuch, seine Karriere in professionellere Bahnen zu lenken. Kurzzeitig stand Feucht bei BRAVE FC unter Vertrag. Jedoch platze die Zusammenarbeit: ihm standen seine neonazistischen Aktivitäten im Weg. Und auch als Feucht im Jahr 2020 für die UFC in Abu Dhabi gegen Kenneth Bergh hätte kämpfen können, wurde dieser Vertrag von der UFC aufgekündigt, als diese von Timo Feuchts neonazistischen Aktivitäten erfuhren.

Angebliche Reue und Einsicht, um Karriere zu machen – Offene Türen bei GAMMAF

Zu diesem Zeitpunkt behauptete Feucht bereits, mit seinen alten Kameraden gebrochen zu haben. Den Gesinnungswandel begründet er mit der Geburt seines Sohnes im Frühjahr 2018, die bei ihm zu Einsicht und Veränderung geführt habe. Dabei scheint die Abkehr nicht sonderlich ernst gemeint zu sein, reiste Feucht noch im Herbst des gleichen Jahres zu einem Fussballspiel nach Łódź, in freundschaftlicher Begleitung des whoiswho der Leipziger Nazi- und Hooliganszene.

Dennoch ist Feuchts Lippenbekenntnis für GAMMAF, die deutsche MMA Amateur Federation ausreichend, um ihn kurzerhand zum Botschafter für Anti-Rassismus zu benennen.

Kein Vergessen: Timo Feucht als Repräsentant der Anti-Racism-Kampagne ist mehr als ein schlechter Witz.

Die Nachricht, dass Timo Feucht als Repräsentant einer Anti-Rassismus-Kampagne der GAMMAF eingesetzt wird, können wir nicht hinnehmen. Dieser „ehemalige“ Neonazi ist kein gutes Vorbild für junge Menschen, die sich für Kampfsport interessieren. Feucht verleiht seiner eigenen Aussage, sein damaliges Verhalten als Fehler anzusehen und die Bitte darum, eine zweite Chance zu bekommen, keinerlei Nachdruck durch Taten. Möglichkeiten dazu hätte es einige gegeben: So hätte er im Prozess gegen die Beteiligten am Angriff auf Leipzig-Connewitz zur Aufklärung des Angriffs auf Connewitz beitragen und seine tatsächliche Rolle in der Organisierung im Vorfeld eingestehen können. Timo Feucht könnte sein Wissen um die neonazistischen Strukturen in Leipzig und Umland zur Verfügung stellen und dazu beitragen, dass nicht weiterhin junge Menschen in den legalen und illegalen Gyms der Faschisten zu Straßenschlägern ausgebildet werden.
Stattdessen ist Feucht mit dem Aufbau eines neuen Images beschäftigt. Er trainiert seit einiger Zeit in dem im Allstar Training Center in Schweden und sucht die Nähe zu Kampfsportlern mit migrantischem Backround oder nicht-Weissen, um online seine Wandlung zu präsentieren.

Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Wir glauben nicht, dass Timo Feucht ein geläuterter Ex-Neonazi ist; wir gehen davon aus, dass sein vermeintlicher Sinneswandel aus dem Zwang heraus geboren wurde, um sich seiner Karriere als professioneller Kampfsportler voll und ganz widmen zu können.

Die Global Association of Mixed Martial Arts sendet ein gefährliches Signal aus. Nicht nur ist es völlig konsequenzlos, als Neonazi Gewalt gegen andere Menschen ausgeübt zu haben, es reicht zu sagen, dass dies ein Fehler gewesen sei. Nein, genau diese Person bekommt als Repräsentant für die Anti-Racism-Kampagne eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit zugesichert, die – so offensichtlich, so schäbig – abgeschlossene Verträge und einen Marktausbau des MMA-Sports in Deutschland bewirken soll.

Timo Feucht ist kein Repräsentant für Antirassismus. Feucht war Anhänger rassistischer, neonazistischer Strukturen in Leipzig. Dafür, dass er es nicht mehr ist, fehlt unserer Ansicht nach jeder Beleg. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seinen Kameraden und den Ideologien wofür diese stehen, ist bis heute nicht ersichtlich. Sein Werdegang ist kein warnendes Beispiel für junge Menschen. Der ihm in Aussicht gestellte Karriereneustart im MMA verhöhnt Betroffene rassistischer und rechter Gewalt und verspricht Neonazis alle Freiheiten, solange sie nur selbst von sich behaupten, dass sie keine Neonazis mehr sind!

 

Quellen

  • https://www.inventati.org/leipzig/?p=3985
  • https://www.inventati.org/leipzig/?p=4452
  • https://runtervondermatte.noblogs.org/ufc-nimmt-rechten-schlaeger-timo-feucht-unter-vertrag/
  • https://runtervondermatte.noblogs.org/der-kampf-der-nibelungen-2018-eine-erste-auswertung/
  • https://www.mmafighting.com/2020/7/11/21318073/ufc-timo-feucht-fight-island-releases-fighter-alleged-past-neo-nazi-ties-mma
  • https://cagesidepress.com/2021/03/11/gamma-timo-feucht-ufc-anti-racism/
  • https://twitter.com/1101Prozess/status/1403646364077150208
  • https://twitter.com/x_xjochen/status/1319214986393227265
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