Antifaschistischer Gedenkrundgang nach Markleeberg und Gaschwitz: Redebeitrag Gaschwitz zum rassistischen Angriff auf Nuno Lourenço am 4. Juli 1998

Niemand ist vergessen.

Der rechte Terror ist in Deutschland schon längst trauriger Alltag, wie hier in Gaschwitz zu sehen ist.

Der portugiesische Zimmermann Nuno Lourenço war wegen eines Montage-Auftrages für ein halbes Jahr nach Deutschland gekommen. Er arbeitete auf der heutigen MDR-Zentrale im Leipziger Süden.

Am 4. Juli 1998, Nuno Lourenços 49. Geburtstag, verließ er mit vier Kollegen die gemeinsame Unterkunft in Gaschwitz (Markkleeberg) bei Leipzig. Während er von einer Telefonzelle aus mit seiner Familie in Portugal telefonierte, verlor das deutsche Fußballteam bei der Weltmeisterschaft in Frankreich gegen Kroatien 0:3 und schied damit aus dem Turnier aus. Dies nahmen Neonazis zum Anlass, Jagd auf Migrant*innen zu machen. Nuno Lourenço und seine Kollegen wurden von Neonazis aus Leipzig und dem Leipziger Umland angegriffen. Während seine Kollegen fliehen konnten, schlugen die mit Eisenketten bewaffneten Angreifer auf Nuno Lourenço ein und schnürten ihm die Kehle zu, bis er am Boden lag. Sie traten weiter mit Springerstiefeln auf ihn ein. Dabei schrien sie rassistische Parolen.

Nuno Lourenço wurde nach dem Angriff mit schweren Verletzungen und inneren Blutungen in ein Leipziger Krankenhaus gebracht. Am 29. Dezember 1998, ein knappes halbes Jahr (später) nach der Tat, starb Nuno Lourenço in Folge des Angriffs an seinen schweren Verletzungen in Portugal.

Als Haupttäter wurde der 21-jährige Andreas Sch. aus Böhlen bei Leipzig ermittelt. Dieser soll mehrmals mit Springerstiefeln gegen den Kopf von Nuno Lourenço getreten haben. Nach eigener Aussage, habe er es dabei knacken gehört. Im Nachgang der Tat sagte er: „Hätte ich ein Messer gehabt, hätte ich dieses Schwein abgestochen.“

Für die Staatsanwaltschaft war das Tatmotiv „Ausländerfeindlichkeit“ klar. Die angeklagten Neonazis gaben selber an, „Ausländer hacken“ zu wollen. Die Anklage lief auf versuchten Totschlag bzw. gefährliche Körperverletzung hinaus. Bei der Urteilsverkündung am 20. September 1999 stellte das Gericht nach mehreren Monaten zwar fest, dass Nuno Lourenço an den Folgen der Tat gestorben sei, doch sei es nicht nachweisbar, dass die Angeklagten seinen Tod billigend in Kauf genommen oder mit Vorsatz gehandelt hätten. Andreas Sch. wurde zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt, seine Mittäter erhielten Bewährungsstrafen und gemeinnützige Arbeitsstunden.

Der Haupttäter trat seine Haftstrafe erst an, als das ARD-Magazin „Monitor“ die Tatsache skandalisierte, dass der zuständige Richter am Leipziger Landgericht, Norbert Göbel, keinen Termin für den Haftantritt bestimmt hatte. Ebenfalls hatte es die Kammer unterlassen, angeblich „versehentlich“, über die Kosten der Nebenklage zu entscheiden. Gleichzeitig wurde darauf verzichtete den angeklagten Neonazis die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Damit verschuldete sich die Witwe Noemia Lourenço mit über 17.500 Euro, da sie als Nebenklägerin für die Unterbringung und Fahrtkosten der Zeugen*innen aus Portugal aufkommen musste.

Nuno Lourenço wird erst seit 2009 als Opfer rechter Gewalt in offiziellen staatlichen Statistiken aufgezählt. Warum dies mehr als zehn Jahre gedauert hat, bleibt bis heute offen. Viele der damaligen Täter leben heute wieder ungestört in ihrer alten Nachbarschaft, auch hier vor Ort.

Wir wollen, dass Menschen wie Nuno Lourenço nicht vergessen werden, Menschen, die nicht ins rassistische Weltbild von deutschen TäterInnen passten und deshalb ihr Leben lassen mussten.

Niemand wird vergessen, nichts ist vergeben. Organisiert euch in antifaschistischen Strukturen.

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